Hoffnungsvoll: Oksana Golovachova vorm CaritasPunkt in der Milter Straße in Warendorf.Carolin Kronenburg / Caritas im Bistum Münster
"Packt eure Sachen, es ist Krieg!" Viel mehr hat Oksana Golovachovas Mann bei seinem Telefonanruf am 24. Februar 2022 um 3 Uhr nachts nicht gesagt. Glauben konnte die 45-Jährige seine Worte erst, als sie die Bombeneinschläge auf dem nahegelegenen Flughafen von Cherson hörte. "Ich wusste gar nicht, was ich einpacken sollte. Die Kinder weinten", erinnert sie sich. Ihr Mann arbeitete damals als Fischer im Ausland, der älteste Sohn studierte in Bratislava, drei Kinder wohnten noch zu Hause.
Nach einer Operation am Bein hatte Oksana Golovachova starke Schmerzen und sollte eigentlich kein Auto fahren. Wegen der Staus dauerte die Fahrt zur ukrainisch-slowakischen Grenze über zwei Tage und Nächte. "Wir hörten die Bomben. Die Kinder hatten Angst. Es war furchtbar kalt. Wir hatten Hunger. Ich habe nicht geschlafen. Mein Bein tat wahnsinnig weh", sagt sie und atmet nach jedem Satz tief durch. Das alles habe sie ausgeschaltet mit nur einem Ziel: "Ich muss zur Grenze, die Kinder in Sicherheit bringen." Dort angekommen, hätten sie gerufen: "Wir haben es geschafft!"
Doch das Auto ging kaputt. Tagelang verharrten sie in der Grenzregion. Sie erhielten jedoch immer wieder Unterstützung, zufällig auch von Helfern aus Warendorf. Und so kamen sie nach einem Stopp in der Slowakei am 7. März 2022 in Warendorf an. "Ich dachte, wir bleiben nur ein paar Wochen hier und gehen dann zurück", sagt die 45-Jährige. Aber mittlerweile wolle die Familie in Deutschland bleiben. Denn: "So viele sind gestorben; so viel ist zerstört", sagt sie mit Tränen in den Augen. In die eigene Wohnung sei eine Rakete eingeschlagen. "Wir haben kein Zuhause mehr."
Ihre acht-, elf-, 18- und 21-jährigen Kinder seien vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sorglos gewesen. "Jetzt sind die Kleinen traurig und die Großen viel zu schnell erwachsen geworden", sagt Oksana Golovachova. Die gelernte Krankenschwester spricht mittlerweile gut Deutsch und hofft, bald arbeiten zu können.
Die Migrationsberatung der Caritas in Warendorf hat bei der Übersetzung ihrer Diplome geholfen, eine ehrenamtliche Lehrerin im Ruhestand für das Lernen der Krankenhaus-Fachsprache organisiert und durch Kochkurse für Frauen verschiedener Nationalitäten Gemeinschaft gestiftet. "Die Caritas ist wie eine zweite Familie für mich", sagt die Ukrainerin und lächelt Magdalen Adlouni an, die für die Ehrenamtskoordination in der Flüchtlingshilfe zuständig ist. "Hier ist nicht nach zwei Terminen Schluss", so Oksana Golovachova, sondern man bekomme auf alle Fragen die Antwort: "Wir helfen dir. Wir sind für dich da."
Das ist laut Magdalen Adlouni nur durch ganz viele Haupt- und Ehrenamtliche möglich. So kümmert sich beispielsweise Marina Burkgard, Fachkraft für Kinder mit traumatischen Erlebnissen, auch um Oksana Golovachovas Kinder. Der Offene Treff im Warendorfer CaritasPunkt - erste Anlaufstelle für Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund - werde mithilfe vieler Ehrenamtlicher aufrechterhalten. Und vielleicht, wenn Oksana Golovachova keine Unterstützung mehr braucht, wird sie selbst zur Helferin. "Ich denke, alles wird gut", sagt sie. Denn die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine und eine gute Zukunft für ihre Kinder hat sie noch nicht verloren.
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
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033-2023 (ck) 10. Juli 2023