Werkstattgespräch: Stefan Gerarts zeigt Pia Stapel, Vorstandsvorsitzende der Caritas im Bistum Münster, wie er die Schaufel des Holzbaggers fertigt.Juliane Büker / Caritas im Bistum Münster
Vom Holzzuschnitt über die -bearbeitung bis hin zu Montage und Verpackung übernehmen Menschen mit Behinderungen dort alle Arbeitsschritte. Das fagus-Kinderspielzeug ist weltweit bekannt. "Ich arbeite sehr gerne hier", sagt Gerarts leise, aber bestimmt. Mit einem Gefühl von Sicherheit und Unabhängigkeit gehe er nachmittags nach Hause. "Ich möchte mein Geld nicht vom Arbeitsamt bekommen", sagt der 57-Jährige, der aufgrund einer Behinderung nach der Schulzeit zwei Jahre arbeitslos war. Umso mehr schätzt er die Gemeinschaft bei Büngern-Technik: "Man kann sich austauschen und wir haben jede Menge Spaß."
Das freut Standortleiter Georg Hülsbrink sehr, denn sein wichtigstes Ziel ist, "dass jeder der 160 Beschäftigten und jeder der 25 Mitarbeitenden gerne zur Arbeit kommt." Grundvoraussetzung dafür seien ein gutes Betriebsklima sowie ein freundlicher und ehrlicher Umgang miteinander. Die Freude an der Arbeit verliere Hülsbrink auch nicht durch die ständig steigende Bürokratie: Jedes Jahr gebe es neue Auflagen durch den Gesetzgeber, deren Erfüllung zu Lasten der Menschen mit Behinderung gingen, da einfach weniger Zeit für sie bleibe. Von der Politik würde sich der Tischlermeister wünschen, "dass sie die Arbeit der Menschen mit Behinderung mehr anerkennt und es ein gerechteres, differenzierteres Entlohnungsmodell gibt."
"Arbeit ist ein extrem wichtiger Bestandteil unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und identitäts- sowie sinnstiftend", sagt Pia Stapel, Vorstandsvorsitzende beim Diözesancaritasverband Münster, bei ihrem Werkstattbesuch am 9. November 2022. Grundsätzlich sei es "sehr wichtig, dass auch Menschen mit einer Beeinträchtigung Teilhabe am Arbeitsleben erfahren". Gerade Menschen mit besonderen Bedarfen - wie beispielsweise sehr komplexen, auch körperlichen Einschränkungen - profitieren laut Stapel von der kleinteiligen Zerlegung von Arbeitsschritten und der Niedrigschwelligkeit, die durch die CaritasWerkstätten ermöglicht werden können." So gibt es bei Büngern-Technik beispielsweise einen Roboter, der einem Beschäftigten mit einer Spastik, einer starken Bewegungseinschränkung, beim Verpacken hilft.
"Es ist unumstritten schwierig, Menschen mit einer Beeinträchtigung in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren", sagt Stapel. Oftmals werde diese fehlende "Erfolgsquote" zu Unrecht auch den Werkstätten für Menschen mit Behinderung vorgeworfen. "Wenn hier jemand ist, der auf den ersten Arbeitsmarkt möchte, dann tun wir alles, damit er es schafft", betont auch Hülsbrink. Kaum ein Betrieb und auch kaum eine Behörde reiße sich laut Stapel um Mitarbeitende mit einer Beeinträchtigung. "Es braucht eine gestufte Struktur mit Außenarbeitsplätzen, Inklusionsunternehmen, Budget für Arbeit und individuelle Beratung bei der Eingliederung", sagt die Caritas-Vorständin. Runde Tische mit Wirtschaft und Kostenträgern könnten gemeinsame Konzepte entwickeln. Stapel unterstreicht: "Eine bessere Integration in den ersten Arbeitsmarkt ist nur durch individuellere Begleitung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich, die finanzielle Ressourcen erfordert."
Pia Stapel und Dominique Hopfenzitz bilden seit August dieses Jahres gemeinsam mit Pfarrer Dr. Christian Schmitt den Vorstand der Caritas im Bistum Münster. Auf einer mehrtägigen Tour durch das Bistum besuchen sie Caritasverbände und Einrichtungen, um die Arbeit vor Ort zu erleben. Die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des Sozialdienstes katholischer Männer (SkM). Hinzu kommen unter anderem 68 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 232 Altenheime und 18 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
091-2022 (ck) 10. November 2022
Bildunterschrift
Werkstattgespräch: Stefan Gerarts zeigt Pia Stapel, Vorstandsvorsitzende der Caritas im Bistum Münster, wie er die Schaufel des Holzbaggers fertigt. Foto: Juliane Büker / Caritas im Bistum Münster