Alina Baeuchle, Sozialarbeiterin des Vereins für katholische Arbeiterkolonien (VfkA), hilft Obdachlosen bei der Wohnungssuche – und bei anderen Alltagsdingen.Foto: privat
Ihr Zimmer ist aufgeräumt. So gut es eben auf knapp 20 Quadratmetern geht. Zu zweit. Seit mehr als einem Jahren leben die Männer, die namentlich nicht genannt werden sollen, zusammen in einer Notunterkunft im Kreis Borken. Die Gründe dafür sind so unterschiedlich wie ihre Lebensgeschichten. Auch wenn sie sich gut verstehen, wünschen sich beide doch wieder eigene vier Wände. Alina Baeuchle, Sozialarbeiterin des Vereins für katholische Arbeiterkolonien (VfkA), hilft ihnen bei der Wohnungssuche - und bei anderen Alltagsdingen. Der VfkA ist Mitglied im Caritasverband für das Bistum Münster, der sich bis Mitte November unter dem Motto "Mittendrin - außen vor. Wem gehört die Stadt?" an den bundesweiten Armutswochen beteiligt, um sozial- und gesellschaftspolitische Impulse zu setzen und politische Forderungen zu platzieren.
Der ältere der beiden Männer ist verheiratet und hat eine Arbeit. Seit 37 Jahren ist er im selben Betrieb. Doch dann wurde die Frau krank, die Eigentumswohnung musste verkauft werden, um Schulden bezahlen zu können. So ist das Leben in eine Schieflage geraten. Nachdem ihnen auch die Mietwohnung gekündigt worden war, zog die Frau zu ihrer Mutter. Weiter entfernt. Der 53-Jährige ist geblieben, vor allem wegen der Arbeit: "Ich habe eine Woche auf der Straße geschlafen." Dann zog er in die Notunterkunft. Aus seinem derzeitigen Zuhause macht er kein Geheimnis. Der Chef und auch seine Freunde wissen Bescheid.
Gerne würde er wieder mit seiner Frau zusammenleben. Dass es momentan schwer ist, eine Wohnung zu finden, das kann Alina Baeuchle bestätigen. Sie schaut täglich in die Online-Portale. Und meldet sich sofort bei ihren Klienten, wenn sie eine passende Anzeige entdeckt. Der 53-Jährige hat sich erst Anfang der Woche für eine Wohnung beworben. Abwarten. Denn da gibt es einen Schufa-Eintrag, der es zusätzlich schwer macht.
Einmal pro Woche kommt Alina Baeuchle zur Sprechstunde in die Notunterkunft. Doch wenn es Wichtiges gibt, ist sie auch sonst erreichbar. Dem jüngeren der Zimmergenossen ist das Handy kaputtgegangen. Geld für ein neues ist knapp. Die Sozialarbeiterin hat Mittel aus dem Stärkungspakt. Gemeinsam mit dem 48-Jährigen will sie in der nächsten Woche los und ein günstiges Smartphone kaufen. Dann wird der Kontakt zu seinen sechs Kindern und zu seiner Freundin auch wieder einfacher.
"Ich bin ein guter Vater", sagt er von sich. Was seine Ex-Frau dem Richter bei der Scheidung bestätigt habe. Dem gelernten KFZ-Mechaniker ist das Leben über den Kopf gewachsen: Beruf, Familie, ein Kleingewerbe nebenbei - "Das war alles zu viel." Es gab Streit, das Haus musste zwangsversteigert werden. "Ich habe ein halbes Jahr im Auto geschlafen." Alina Baeuchle soll ihm helfen, seinen Alkoholkonsum in den Griff zu bekommen - mit einem Trinktagebuch. Die Sozialarbeiterin wird ihm beim kontrollierten Konsum begleiten. "Ich dränge mich nicht auf", betont sie. Ohne Vorwürfe fragt sie immer wieder nach bestimmten Themen, ob sie angegangen worden sind. Dazu gehören auch Schulden aus der Vergangenheit. "Ich möchte die Klienten motivieren, ihre Probleme anzugehen und sie dabei unterstützen." Sie bietet an, die Formulare für die Schuldnerberatung gemeinsam durchzugehen. Das braucht manchmal mehrere Anläufe. Alina Baeuchle übt sich in Geduld - und bleibt vorsichtig hartnäckig, entlässt die Bewohner dabei aber nicht aus der Eigenverantwortung.
Die beiden Bewohner der Notunterkunft machen sich nichts vor, "es sind Dinge passiert, die hätten vermieden werden können, wenn wir Hilfe angenommen hätten". Manches, was möglich ist, haben sie erst durch die VfkA-Mitarbeiterin kennengelernt. Dafür sind sie dankbar.
Und so hoffen beide Männer, dass sie irgendwann das gemeinsame Zimmer räumen können und wieder ein eigenes Zuhause mit eigenem Alltag haben.
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich - die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM - Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
054-2023 (gun) 17. November 2023