Alois R. möchte unerkannt bleiben. Zweimal im Monat besucht er die Krisen- und Gewaltberatung für Männer in Hamm. Männerberater Markus Brauckmann (rechts) arbeitet mit seinen Klienten daran, einen kühlen Kopf zu bewahren und Gewalt zu vermeiden. Foto: Juliane Büker
"Ich will meine Frau nicht mehr klein machen - sie ist die Tollste, wenn sie groß ist", sagt Alois R.*. Sein Blick auf den Boden lässt ahnen, dass er seine harten Worte und Beleidigungen aus der Vergangenheit bereut. Trotzdem kommt es vor, dass der Mittfünfziger die Beherrschung verliert. In der Männerberatung "Echte Männer reden" beim Katholischen Sozialdienst (KSD) in Hamm arbeitet er an mehr Gelassenheit.
"Ich bin Bergmann, durch und durch", beschreibt sich Alois R. Bis 1990 hat er in Hamm Kohle abgebaut. Zu einem Bergmann gehöre es, das Herz am rechten Fleck zu haben und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Beides seien Eigenschaften, die er an sich schätze. Aber als ihn vor zehn Jahren seine damalige Partnerin verließ, sei ihm klar geworden, dass seine Worte nicht nur deutlich seien, sondern auch scharf und verletzend. "Ich habe nie geschlagen", sagt Alois R., "aber es gibt ja nicht nur körperliche Gewalt. Was ich gemacht habe, war psychische Gewalt. Ich habe mich in Dinge hineingesteigert, hatte schnell die Hasskappe auf und habe meine Partnerin klein gemacht."
In der Trennungskrise suchte Alois R. Hilfe. Ein Beratungsangebot speziell für Männer zu finden, sei schwierig gewesen. "Ich habe sogar beim Frauenhaus angerufen, die waren überfragt", sagt er. Vor knapp zehn Jahren besuchte Alois R. dann seine erste Sitzung bei der Krisen- und Gewaltberatung "Echte Männer reden" in Hamm. Nach achtjähriger Pause ist er seit kurzem wieder hier. Die Corona-Zeit und fehlende soziale Kontakte hätten ihm zugesetzt, sagt Alois R., die Zündschnur sei wieder kürzer geworden. Die Fehler aus der Vergangenheit wolle er in seiner jetzigen Ehe nicht wiederholen, es sei fünf vor zwölf.
"Das ist die Kunst", sagt Markus Brauckmann, Männerberater beim KSD Hamm, "die Kurve zu kriegen, bevor es zu spät ist" - bevor eine Beziehung in die Brüche geht und bevor man die Nerven verliert. Brauckmann und Alois R. treffen sich alle zwei Wochen. "Männer haben oft nur Begegnungen, aber seltener Beziehungen", weiß der KSD-Mitarbeiter. In der Beratung gehe es deshalb darum, das Wahrnehmen und Sprechen über eigene Gefühle zu trainieren. "Und wir gucken individuell, was hilfreich ist, um einen kühlen Kopf zu bewahren, um früher aus dem Gewaltkreislauf auszusteigen."
Um seelischer, körperlicher und sexualisierter Gewalt vorzubeugen, sei das Angebot der Krisen- und Gewaltberatung für Männer ein wichtiger und wirksamer Weg, sagt Bernhard Hülsken, Referent der Caritas im Bistum Münster. Aktuell gibt es das spezielle Hilfsangebot an sechs Orten im Bistum Münster. In den vergangenen zehn Jahren sind so über 2.000 Männer beraten worden.
Einem weiteren Ausbau des gut nachgefragten Angebotes stehe eine fehlende sichere Finanzierung im Weg, sagt Hülsken. Alle Angebote würden derzeit aus Eigenmitteln der Caritas finanziert. "Wegen der gesellschaftlichen Wichtigkeit wäre es folgerichtig, dass auch Kommunen sich an diesen Unterstützungsangeboten beteiligen - gerade aus der Sicht der Prävention", fordert Hülsken.
Alois R. ist für sich und seine jetzige Beziehung auf einem guten Weg, sagt er. "Es wird langsam ruhiger und wir kommen wieder in die Spur." Er möchte zufriedener sein, mit seinem Frust besser umgehen lernen und vermeiden, dass er seine Frau verunsichert, sie sich zurücknimmt oder ihre Bedürfnisse herunterschluckt. "Ich möchte mich nicht mehr entschuldigen müssen", sagt Alois R., "und dafür brauche ich ein bisschen Hilfe."
Der Katholische Sozialdienst (KSD) ist ein Fachverband der Caritas im Bistum Münster. Die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto "Not sehen und handeln" sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des Sozialdienstes katholischer Männer (SkM). Hinzu kommen unter anderem 68 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 232 Altenheime und 18 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
*Name von der Redaktion geändert
095-2022 (bü) 17. November 2022