„Moment mal“
Der Monatsblog „Moment mal“ ist das öffentliche Web-Tagebuch der Caritas für das Bistum Münster zu Fragen von Gott und der Welt. Aus der Caritas für die Caritas stellen Autorinnen und Autoren einen Gedanken zur Verfügung, der zur persönlichen Lektüre oder auch für Teamsitzungen genutzt werden kann.
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August - Verbindungen
Unsere 16-jährige Tochter wollte in den Ferien mit ihrer Freundin deren Oma in München besuchen. Die 80-jährige Frau, die ihr Leben lang dort gelebt hat, freute sich darauf, das Osterfest mit den beiden Teenagern zu verbringen. Nun war es soweit – die Reise stand kurz bevor. Als sie in der Metropole eintrafen, waren sie schnell beeindruckt von der Stadt, den guten U-Bahn-Verbindungen, die es im Münsterland so nicht gibt, den kulturellen Eindrücken und der inspirierenden Frau, die sie im Bahnhof in Empfang nahm und die schnell verdeutlichte, dass sie zwar betagt sei, jedoch noch sehr viel Energie und Lebensziele habe. Während wir Eltern vorher einen durchgängigen ICE gebucht hatten, nahm die Münchnerin sie mit in ihre Welt und ließ die Reisenden teilhaben. In der Wohnung angekommen, konnten die beiden Gäste in eine Zeitreise eintauchen – sie übernachteten in dem früheren Kinderzimmer der Mutter, die hier aufgewachsen war, sie hatten viel Freiraum, wurden im Gegenzug auch darüber aufgeklärt, wo Grenzen sein werden. Jeden Morgen wurde beispielsweise deutlich, dass die Oma eine Frühaufsteherin ist und die Teenager gern auch ein wenig länger in den Ferien schlafen. Die beiden Jugendlichen stellten auf gemeinsamen Spaziergängen viele Fragen, erfuhren von gemeinsamen Erlebnissen in München, kulturellen Erfahrungen, da die Oma die Mutter, die eine Person of Color ist, als Kleinkind in ihre Familie aufgenommen hatte und wie sie den Herkunftsort des Mädchens, den Senegal, mehrfach mit ihrem Mann, der inzwischen verstorben ist, mit der Tochter besuchte. Auch eine künftige Reise dorthin, einen Ort, den sie mit schillernden Farben beschrieben hat, schloss sie nicht aus. So wurde der Ausflug nach München in mehrerlei Hinsicht zu einem unvergesslichen Erlebnis: Dort gab es Kontakte mit Studierenden, anderen Teenagern, in einem Café mit einer Lehrerin, die nach dem Schulsystem in NRW fragte, vielen MünchnerInnen und Menschen, die kulturell ganz unterschiedliche Herkunftsorte mit sich brachten. In den Erzählungen und generationsübergreifenden Kontakten mit der achtzigjährigen Frau ging es jedoch noch weit darüber hinaus. Als wir unsere Kinder am Hauptbahnhof im Münsterland wieder in die Arme schlossen, waren sie ganz beeindruckt von München und ihren eigenständigen Erkundungen – noch viel mehr jedoch hatten die Begegnungen mit einer Frau, die schon vor vierzig Jahren eine Inspiration für viele Menschen gewesen sein muss, sie berührt. Sie gab den Mädchen mit, Respekt und Einsatz für Vielfalt zu zeigen und den eigenen Weg zu gehen, auch wenn es von anderen kritisch bewertet würde. In diesem Sinne verstehen wir Begegnungen mit anderen Generationen als Bereicherung und neue Orte zu entdecken als Chance, Unterschiede zu überwinden und gemeinsame Erfahrungen zu erleben. Unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Generationen stärken das soziale Miteinander und Toleranz sowie Empathie. Tatjana Lücke |
