Dominique Hopfenzitz, Direktor der Caritas im Bistum Münster.Foto: Achim Pohl / Caritas im Bistum Münster
"Es ist ein Skandal, dass immer mehr Menschen arm sind trotz Arbeit." Das hat Dominique Hopfenzitz, Direktor der Caritas im Bistum Münster, anlässlich der Veröffentlichung des Arbeitslosenreportes der Freien Wohlfahrtspflege NRW am 29. September 2022 betont. Der Arbeitslosenreport zeigt, dass mehr als 22 Prozent der SGB II-Leistungsempfangenden in Nordrhein-Westfalen sogenannte Aufstockende sind. Größtenteils sind es Leistungsempfangende, die trotz Erwerbstätigkeit auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Ein geringerer Teil erhält Sozialleistungen wie Kranken- oder Arbeitslosengeld. Lag der Anteil derer, die zusätzlich zu ihrem sozialversicherungspflichtigen Lohn noch Hartz IV beantragen mussten, 2007 in NRW noch bei etwa 8 Prozent, so waren es 2021 fast 11 Prozent. "Es ist arbeits-marktpolitisch etwas gewaltig in Schieflage geraten, wenn so viele Beschäftigte in Lohn, aber nicht in Brot sind", sagte Hopfenzitz.
Zu diesen Entwicklungen passe, dass das mittlere Einkommen in NRW im Vergleich zum Bund weniger stark steigt. "Der Arbeitsmarkt in ganz NRW verändert sich von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen hin zu prekären Jobs im Dienstleistungsbereich", erklärte Hopfenzitz und fordert eine vor allem einkommensbezogene Aufwertung dieses Beschäftigungssektors. Der wachsende Niedriglohnsektor sorge dafür, dass bei immer mehr Menschen das Einkommen nicht zur Versorgung der Familie ausreicht. Schon jetzt verdienen in NRW 9,6 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten lediglich 2.000 Euro brutto pro Monat und weniger. Unter denen wiederum verdienen Frauen und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit besonders schlecht. Der Frauenanteil im Niedriglohnsektor ist mit 14,5 Prozent doppelt so hoch wie der der Männer mit 7,4 Prozent. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stehen mit 22,8 Prozent im Vergleich sogar dreifach schlechter da als Deutsche mit 7,5 Prozent.
Dieser Befund treffe laut Hopfenzitz nicht allein in Bezug auf das Niedriglohnsegment zu. In seinen Augen lieferten fehlende Qualifikationen zugewanderter Menschen nur vordergründige Erklärungen für die Situation. "Es ist unbestreitbar, dass es strukturelle Diskriminierungen bei der Entlohnung gibt: Frauen und Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit werden für die gleichen Jobs schlechter bezahlt", so der Diözesancaritasdirektor. Hier müsse der Gesetzgeber stärker aktiv wer-den, um eine gerechte und angemessene Bezahlung aller arbeitenden Menschen zu gewährleisten. Zudem brauche es mehr flexible Kinderbetreuungsangebote, damit sich Familie und Beruf besser vereinbaren lassen. Hopfenzitz unterstrich: "Faire Arbeitsbedingungen und Entlohnung verleihen den Menschen Würde und halten die Gesellschaft in Krisenzeiten zusammen."
Der Arbeitslosenreport NRW: Regionale Zahlen online verfügbar
Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Er erscheint mehrmals jährlich. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet heruntergeladen werden.
www.arbeitslosenreport-nrw.de
Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.
www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de
Caritasverband im Bistum Münster
Der Diözesancaritasverband Münster vertritt und berät mit seinen rund 160 Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle in Münster über 50 örtliche Verbände und rund 400 katholische Einrichtungen, in denen 80.000 Hauptamtliche und 30.000 Ehrenamtliche tätig sind. Er zählt damit zu den größten Diözesanverbänden in Deutschland.
082-2022 (mf) 29. September 2022