Auch die Freizeit-Betreuung der alten Menschen im Pflegeheim St. Ludgerus gehört zu den Aufgaben von Mina Fares.Michael Bönte
Es war ein weiter Weg mit riesigen Herausforderungen. Der Weg von jener Geflüchteten, die vor knapp zehn Jahren aus Syrien über Marokko nach Europa gekommen war, zu einer Pflegekraft im Caritas Altenpflegeheim St. Ludgerus in Billerbeck. Dort, wo ein alter Bewohner neulich zu Mina Fares sagte: "Ich werde gern von dir versorgt - du arbeitest aus dem Herzen."
Sie brauchte dieses Herz, ein Kämpferherz genauso wie ein mitfühlendes. Denn als sie ein Jahr, nachdem ihr Mann und ihr Sohn vor dem Krieg in Syrien nach Deutschland geflüchtet waren, mit ihrer Tochter in die Flüchtlingsunterkunft in Coesfeld kam, warteten die nächsten hohen Hürden auf sie. Die Familie war wieder beisammen. "Das war schön", sagt Mina Fares. Nicht schön aber war die Untätigkeit, zu der sie aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten gezwungen war. "Ohne Arbeit den ganzen Tag herumkriegen - das sucht sich keiner freiwillig aus."
Zumal sie anderes gewohnt war. In ihrer Heimat war sie Verkäuferin gewesen, hatte ihre Mutter und Schwiegermutter gepflegt, war für die Kinder da gewesen. Volle Tage waren das, voll mit Aufgaben und Arbeit. "Das mochte ich." In Deutschland gab es aber viele Barrieren, die das verhinderten, sagt Mina Fares. "Die deutsche Sprache, die Bürokratie, die Bewerbungen." Ihr Wille, einen Job zu finden, aber war größer - auch weil ihr Mann als Rentner keine Arbeit mehr fand.
Sie suchte sich Unterstützung. "Das ist wichtig, man muss selbst aktiv werden." Beim Fachdienst Integration & Migration der Caritas für den Kreis Coesfeld wurde sie fündig. Sie bekam Deutschunterricht, Hilfe im Behördendschungel und lernte Radfahren. "Ohne geht das im Münsterland wohl nicht." Was sich schnell bestätigte. Denn sie fand auch einen Job. Als Pflegehelferin in Billerbeck. Dahin geht es jetzt beinahe schon neun Jahre mit dem Zug, mit dem Fahrrad und zu Fuß. Mittlerweile als Auszubildende in der Pflegeassistenz.
"Endlich konnte ich das tun, was für mich immer wichtig war: Mit Menschen arbeiten." Wenngleich der Pflegeberuf, den sie jetzt erlebte, Neuland für sie war. Der Umgang mit den alten Menschen war vielseitiger, professioneller und vor allem technisch anspruchsvoller, sagt Mina Fares: "Ein elektrisch verstellbares Bett kannte ich früher nicht." Der Kern ihrer Arbeit ist aber der gleiche geblieben, den sie aus der Zeit mit ihrer pflegebedürftigen Mutter und ihrer Schwiegermutter kennt. "Es geht um das Herz - sie müssen spüren, dass jemand sie liebt."
Sie spricht diese Sprache des Herzens, das bestätigen die Bewohner genauso wie ihre Kollegen. Auch die Hürde der deutschen Sprache hat sie hinter sich gelassen. Manchmal fragen sie Mitarbeitende noch, ob sie etwas richtig verstanden hat. Gerade bei den Fachausdrücken braucht sie manchmal noch Hilfe. Mittlerweile weiß sie aber: "Zuhören und reden ist der beste Deutschunterricht."
Bei aller persönlichen Bereicherung: Ihr Einsatz ist für sie auch ein Statement. "Ich möchte zeigen, dass wir in Deutschland arbeiten und helfen wollen", sagt Mina Fares. Sie weiß, dass diese Schritte vielen Geflüchteten Mut und Kraft kosten. "Aber es lohnt sich, nicht nur weil du deine eigene Situation verbesserst, auch weil du hilfst, Vorurteile abzubauen und Gräben zu überwinden." In ihren Augen ist das die "beste Integration", die es gibt.
Davon kann auch Romano Catanzariti berichten. Der Einrichtungsleiter im St. Ludgerus-Stift schätzt die Entlastung der anderen Pflegeassistenten durch Mina Fares. "Wir brauchen Menschen mit einem solchen Herz." Majda Mchiche vom Fachdienst Integration & Migration des Caritasverbandes für den Kreis Coesfeld sieht in dem Weg von Mina Fares eine "beispielhafte Erfolgsgeschichte". "Ich habe die innere Stärke und die unerschütterliche Hoffnung von Frau Fares immer sehr bewundert - trotz aller Schwierigkeiten hat sie stets einen klaren Blick behalten." Für die Motivation der Helfer sei das ebenfalls wichtig. "Wir werden in unserem Einsatz bürokratisch so oft ausgebremst und enttäuscht - ein solcher Weg macht uns Mut weiterzumachen."