Die Schwangerschaftsberaterinnen Nadine Richter (links) und Ingrid Nagel.Carolin Kronenburg / Caritas im Bistum Münster
Die Sorgen um die Kostenexplosion und die politische Lage bestimmen auch die Gespräche in der katholischen Schwangerschaftsberatungsstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Wesel: "Finanzielle Schwierigkeiten und Zukunftsängste sind ein hoher Stressfaktor für unsere Klientinnen", sagt Schwangerschaftsberaterin Ingrid Nagel. Der überwiegende Teil der Ratsuchenden verfüge über geringe materielle und soziale Ressourcen und befinde sich in prekären Lebenslagen. Zusammen mit ihrer Kollegin Nadine Richter organisiert die Sozialpädagogin immer öfter unbürokratisch Hilfen, wenn gar nichts mehr geht.
Der Bericht aus der Beratungspraxis in Wesel steht dabei stellvertretend für alle 14 katholischen Schwangerschaftsberatungsstellen im Bistum Münster: "Finanzielle Probleme verschärfen sich markant", heißt es im gerade veröffentlichten Jahresbericht. 2021 wurden deshalb Nothilfen in Höhe von fast 3 Millionen Euro bewilligt und ausgezahlt. Das Geld stammt aus der Bundesstiftung Mutter und Kind (1,7 Millionen Euro), dem Bischofsfonds (1,1 Millionen Euro), kommunalen Hilfsfonds (110.000 Euro) und Spenden (83.000 Euro).
2021 sei laut Richter zudem - wie das Vorjahr - durch die Coronapandemie geprägt gewesen. Ihr Gesicht spiegelt sich in der Plexiglasscheibe, die jetzt seit fast drei Jahren zwischen Ratsuchenden und Beraterinnen steht. Wir haben unser Unterstützungsangebot kontinuierlich an die pandemisch sich häufig verändernden Bedingungen angepasst", so Richter weiter. Mittlerweile hätten sich alle an den von der Pandemie geprägten Alltag gewöhnt. Bei der Online-Beratung komme man aber auch aufgrund von Sprachbarrieren schnell an Grenzen. Die beiden Schwangerschaftsberaterinnen in Wesel waren in 2021 für 315 Ratsuchende in 1.203 Beratungsgesprächen da. Im Bistum Münster haben sich insgesamt 8.000 Menschen an die 100 Beraterinnen gewandt.
Das Telefon in der Beratungsstelle in Wesel klingelt. Eine Frau mit Migrationshintergrund ist am anderen Ende der Leitung. Der herzliche Umgangston von Nagel verrät die über viele Jahre aufgebaute persönliche Beziehung sofort. "Ich komme gerne in die Beratungsstelle und meine Kinder auch", sagt die dreifache Mutter, der es schwer fällt, Anträge alleine auszufüllen und Behördenanfragen zu beantworten. "Ich bin sehr dankbar für die Hilfe", betont sie am Telefon.
"Viele kommen zu uns, weil wir keine Behörde sind und der Mensch bei uns im Mittelpunkt steht", sagt Nagel. "Und weil wir kontinuierlich besetzt sind und uns wieder und wieder Zeit nehmen", ergänzt Richter. Die Diplompädagogin ist seit 21 Jahren als Schwangerschaftsberaterin im Einsatz und ihrer Aufgabe noch lange nicht müde. "Da sein, leben helfen - so lautet das Motto des SkF", sagt Richter. "Wir wollen helfen, dass das Leben mit Kindern gelingt." Die Arbeit erleichtern würden mehr finanzielle Mittel für die sogenannten Frühen Hilfen wie Still-Café, Gesundheitsvorsorge, Spielgruppen und Familienfrühstück. Zudem würden sich die Beraterinnen mehr behördliche Unterstützung für Migrantinnen wünschen, damit weniger Zeit für Administratives - wie die Hilfe beim Ausfüllen von Formularen - draufginge.
"Es gibt so viele beeindruckende Frauen, die außerordentliche Hürden meistern und mir für immer im Gedächtnis bleiben", beschreibt Nagel ihre Motivation. Der größte Lohn sei für die beiden Beraterinnen der Blick in ein erleichtertes Gesicht, wenn gemeinsam ein Hindernis aus dem Lebensweg geräumt werden konnte. Und das Lachen der Kinder, das nach Lockdown und Pandemiebeschränkungen endlich wieder in das Mehrgenerationenhaus des SkF in Wesel einzieht.
Den Jahresbericht Schwangerschaftsberatung steht zum Download bereit unter: www.caritas-muenster.de/schwangerschaftsberatung. Informationen über die Schwangerschaftsberatung des SkF in Wesel gibt es online unter www.mgh-skfwesel.de.
086-2022 (ck) 3. November 2022