Schulleiter Tobias Mörth stellt den Teilnehmenden am Forum das Konzept des Outdoor-Bereichs der Heinrich-Tellen-Schule vor.Foto: Michael Bönte / Caritasverband für die Diözese Münster
Ortstermin am Waldrand: Die Teilnehmenden am Fachforum des Caritasverbandes für die Diözese Münster "Teilhabe an Bildung von Schülerinnen und Schülern an Förderschulen" sind in die Heinrich-Tellen-Förderschule für geistige Entwicklung in Warendorf gekommen und informieren sich über den dortigen Outdoorbereich. Ein Projekt der Schule, das ein Praxisbeispiel dafür ist, wie der Zunahme von herausforderndem Verhalten der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen begegnet werden kann.
"Wir haben einen Schüler mit einem enormen Bewegungsdrang, der alles übersieht, wenn er etwas erreichen will - egal ob Essenswagen oder kleine Kinder", erklärt Schulleiter Tobias Mörth. "Wir mussten reagieren, etwas anders machen - sonst hätte er hier nicht mehr beschult werden können." Die Idee entstand also aus der Not: "Wir schufen einen neuen Schulhof am Waldrand, um auf seine individuelle Situation reagieren zu können." Vier Bauwagen, viel Raum und viel frische Luft - der Schüler und weitere Schulkameraden fanden einen Ort, der ihnen weiterhin Teilhabe ermöglicht.
Genau um diese Teilhabe von Schülerinnen und Schülern mit herausforderndem Verhalten geht es den 45 Vertretern von Förder- und Regelschulen, Beratungsstellen, heilpädagogischen, kombinierten Kindertagesstätten, Wohnhäusern der besonderen Wohnform, Schulbegleitdienste Landschaftsverbänden und Schulträgern aus dem Bistum Münster und angrenzenden Regionen an diesem Tag. Der größte Teil sind Leitungen und Lehrkräfte aus den Förderschulen. Allen gemein ist die Frage, wie sie die steigende Belastung für die Einrichtungen, Behörden, aber auch Familien meistern können. Denn die Situationen körperlicher und psychischer Grenzverletzungen haben zugenommen. Auch andere Bereiche wie etwa Wohneinrichtungen oder Kindertagesstätte mit Förderangeboten sind vermehrt mit diesem Problem konfrontiert.
"Waren es früher zwei oder drei Schüler in einer Schule, die herausforderndes Verhalten zeigten, sind es heute zwei oder drei pro Klasse", sagt Mörth. "Es kommt vor, dass Kollegen mit blutigen Händen zu mir kommen, weil sie im Umgang mit den Schülern Gewalt erlebt haben." Für ihn dürfe diese Entwicklung aber nicht zu vermehrten Schulausschlüssen führen, sondern müsse als Herausforderung für gelingende Teilhabe angegangen werden.
Die Hürden dabei sind hoch. Oft fehlen passende Räume, qualifiziertes Personal im multiprofessionellen Kollegium oder finanzielle Möglichkeiten. Überlastung von Lehr- und Integrationskräften, unzureichende Förderung der Schüler oder Ausschulungen sind Folgen, mit denen sich die Teilnehmenden am Forum nicht abfinden wollen.
"Unser Selbstverständnis ist es, jeder Schülerin und jedem Schüler eine Beschulung zu ermöglichen und Familiensysteme zu entlasten", sagt Andreas Busch. Der Schulleiter der Jordan-Mai-Schule in Gladbeck fordert dafür individuelle Settings, verschiedene Therapiemöglichkeiten und die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams. "Die Schulen benötigen mehr Ressourcen, einen verstärkten interdisziplinären Austausch und bessere Kooperationsmöglichkeiten."
Tobias Koop von der Tectum Caritas GgmbH, einem Familien unterstützenden Dienst der Caritas in Steinfurt, erlebt zudem, dass Einrichtungen der Behindertenhilfe wichtige Rahmenbedingungen für ihre Arbeit nicht bekannt sind. "Häufig fehlt die Zeit, gemeinsame Sichtweisen und eine gemeinsame Sprache zu finden", sagt er. "Wir würden uns einen regelmäßigeren fachlichen Austausch im Allgemeinen, aber auch für den Einzelfall wünschen."
Nach der Diskussion im Plenum und in Arbeitsgruppen konkretisieren die Forum-Teilnehmenden ihre Wünsche und Forderungen. Ein wichtiges Ergebnis ist die Netzwerkbildung: Es braucht eine gemeinsame Sicht auf die Situation des Kindes, um die Herausforderungen ganzheitlich zu meistern - mit Jugendämtern, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Beratungsstellen, Schulbegleitdiensten, therapeutischen Einrichtung, Landschaftsverbänden und Schulträgern. Ein weiterer Blick geht Richtung Mitarbeitende, die sich mit einer menschenzugewandten Haltung und viel Herzblut einsetzen. Diese zu schützen und nicht zu verschleißen, sei wichtige Aufgabe.
Der Caritasverband für die Diözese Münster wird sich weiterhin für diese Anliegen stark machen, sagt Tatjana Lücke am Ende der Veranstaltung. "Ein Forum wie dieses bringt immer einen Gewinn für die Arbeit vor Ort." Die Referentin für Teilhabe für Menschen mit Behinderungen und Sozialpsychiatrie hat bereits Folgeveranstaltungen in Planung, bei denen auch politische Entscheider mit ins Boot geholt werden sollen, um mit allen Akteuren gemeinsam Lösungen zu entwickeln. "Aus den Forderungen im Positionspapier, das wir gemeinsam mit vielen Einrichtungen und Trägern in diesem Jahr formuliert haben, sollen so konkrete Verbesserungen der Rahmenbedingungen sowie eine gelingende Teilhabe auch für Kinder und Jugendliche mit herausfordernden Verhaltensweisen werden."