Diözesancaritasdirektorin Pia Stapel, Petra Köster, Leiterin des Referats Soziale Pflegeversicherung beim Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Anne Eckert, Referatsleiterin Altenhilfe beim Diözesancaritasverband, sowie Comedian Felix Gaudo auf dem 3. Altenhilfekongress der Caritas im Franz Hitze Haus in Münster (v.l.).Foto: Juliane Büker / Caritas im Bistum Münster
„Die Pflege ist an einem Scheideweg angekommen“, hat Petra Köster vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen auf dem dritten Altenhilfekongress der Caritas im Bistum Münster am 10. Mai im Franz Hitze Haus betont. Eine Weiterentwicklung des Pflegesystems sei angesichts der rasant steigenden Zahlen der Pflegebedürftigen dringend notwendig. In Nordrhein-Westfalen gibt es zurzeit 1,2 Millionen Pflegebedürftige, bundesweit sind es rund 5 Millionen. Vor 300 Führungs- und Pflegekräften aus Verbänden und Einrichtungen der Caritas forderte Köster eine ehrliche Diskussion über die Fragen: „Wer wird in Zukunft wie pflegen? Wie kann Versorgungssicherheit bei knappen personellen und finanziellen Ressourcen gelingen? Was ist uns gute Pflege wert?“ Der Bund habe zur Beantwortung bisher keine nachhaltigen Lösungsansätze auf den Weg gebracht, kritisierte Köster. Der Entwurf eines Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes sehe im Wesentlichen nur Beitragsanpassungen unter Berücksichtigung der Kinderzahl und eine gestaffelte Dynamisierung gewisser Pflegeleistungen vor. Er beinhalte keine Ansätze für eine nachhaltige Finanzierung und Ausgestaltung der Pflegeversicherung.
Köster forderte einen radikalen Umbruch, der sich nicht allein auf die Pflege, sondern auf das neu Denken der Sozialgesetzbücher bezieht. Dabei gehe es um soziale Sicherheit für Benachteiligte und Schutzbedürftige. Den Menschen einfach Geld zu geben, sei zwar eine flexible und transparente Möglichkeit – „aber Geld pflegt nicht“, betonte sie. „Wir brauchen die Strukturen und die Menschen, die pflegen.“ Es gebe in Deutschland gute Leistungsangebote. „Daher sollten wir diese Strukturen weiterentwickeln und auf erprobte Konzepte setzen“, so Köster. Die Leistungen müssten flexibel genug sein, damit die Angebote unter Berücksichtigung vorhandener Ressourcen und Potentiale noch stärker auf das Versorgungsziel ausgerichtet sein können. Abschließen dankte Köster allen Mitarbeitenden in der Pflege: „Ohne ihren Einsatz wäre unser Sozialstaat gar nicht denkbar. Sie geben den schutzbedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft Halt, ein Zuhause und helfen in Notsituationen. Eine Arbeit, die sich wirklich lohnt.“
Dass das heutige Pflegesystem auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten ist, sagte auch Pia Stapel, Direktorin der Caritas im Bistum Münster: „Wir haben absehbar mehr Menschen, die Pflege brauchen und weniger Menschen, die in der Pflege arbeiten werden.“ Die Pflege in den Familien, die heute schon über 80 Prozent der Versorgung von Pflegebedürftigen ausmache, werde weiter an Bedeutung gewinnen; die institutionalisierte Pflege komme an ihre Grenzen. Stapel ermutigte die Teilnehmenden des Altenhilfekongresses, gemeinsam nach Lösungen und Veränderungen zu suchen, die in den Einrichtungen umgesetzt werden könnten und „die wir grundsätzlich in unserer Solidargemeinschaft zusammen mit Politik und Gesellschaft anstoßen müssen“. Dabei gelte es über den Tellerrand – beispielsweise ins Ausland – zu schauen. „Als Caritas sind wir Anwältin, Dienstleisterin und Solidaritätsstifterin für die Menschen“, betonte Diözesancaritasdirektorin Stapel. „Wenn wir diese Rollen in den Prozess einbringen, können wir gemeinsamem die neuen Herausforderungen angehen.“
Humor könne beim Meistern der grundsätzlichen, aber auch der täglichen Herausforderung helfen, betonte Moderator und Comedian Felix Gaudo. Er sei das natürlichste Mittel gegen die während der Pandemie noch einmal stark gestiegene Stressbelastung in den Pflegeberufen. Humor ist der soziale Klebstoff, so Gaudo, der Menschen gesund halte.
In 21 Workshops diskutierten die 300 Führungs- und Pflegekräfte mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft darüber, wie das System der Altenhilfe stabiler werden kann – etwa durch Konzepte zu Personaleinsatz, Personalsteuerung und Generationenmanagement. Unter dem Dach der Caritas im Bistum Münster wohnen alte und pflegebedürftige Menschen in 205 Altenheimen und sie werden von Mitarbeitenden in 105 ambulanten Diensten gepflegt sowie in 110 Tagespflegen betreut. Infos unter: www.caritas-muenster.de/aktuelles/3.-altenhilfekongress.
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 68 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 110 Tagespflegen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
019-2023(ck) 10. Mai 2023