Wichtige Kontaktfläche: Bei vielen Angeboten im Caritas Begegnungs- und Beratungszentrum im Ziegelgrund erfährt Franziska Zangerl, wo es weitere Hilfsbedarfe gibt.Michael Bönte/Caritasverband für die Diözese Münster
Es kommt vor, dass ein gestandener Mann am runden Tisch in ihrem kleinen Büro sitzt, und weint. So traurig dieser Moment ist, so entscheidend ist er, sagt Franziska Zangerl. "Er zeigt, dass unser Angebot genau dort ansetzt, wo es die Menschen brauchen." Niederschwellig, kurzfristig, unverbindlich - die Allgemeine Sozialberatung (ASB) im Caritas Begegnungs- und Beratungszentrum im Ziegelgrund in Recklinghausen ist damit ein Türöffner - für den ersten Schritt raus aus problematischen Situationen und Sorgen, die oft noch unkonkret und nicht ausformuliert sind. Die Sozialarbeiterin und ihr Team können dann helfen, sprachfähig zu werden, Hilfen geben und an Fachstellen weitervermitteln.
"Wichtig ist, dass wir in diesen Augenblicken sofort ansprechbar sind", sagt Zangerl. Es gibt keine Anmeldungen oder lange Wartezeiten. "Eben dann, wenn die Sorgen akut sind." Und die sind vielseitig, wenn die Menschen zwei Mal in der Woche zu offenen Sprechstunden kommen. "Überforderung mit der Bürokratie, Probleme im Familienalltag, Krankheiten", zählt sie auf. Ein großer Teil der Hilfesuchenden sind Geflüchtete. Es kommen derzeit aber vermehrt auch Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit - mit vergleichbaren Sorgen.
Oft sind es alltägliche Dinge. "Von außen betrachtet, vielleicht Kleinigkeiten, in der Situation aber erdrückend." Ein abgelehnter Bescheid kann enorme Auswirkungen haben, ein nicht verstandenes Formular massive Folgen, eine bedrückende Wohnsituation große gesundheitliche Probleme. "Das kann auch der Brief aus dem Kindergarten sein, in dem die Familie eingeladen wird, sich in Freizeitgestaltungen und Feste einzubringen", nennt Zangerl ein Beispiel. "Wenn er nicht verstanden wird, bleiben die Kinder außen vor - eine Chance der Integration ist dann vergeben worden."
Nicht selten sind die Hintergründe der Kontaktaufnahmen mit der ASB schwerwiegender. "Armut ist ein Kampf - nicht nur mit Papieren, Finanzen oder Arbeitsmöglichkeiten." Es geht vor allem um Selbstwertgefühle, sagt Zangerl. "Alle kommen grundsätzlich mit den gleichen Wünschen - Teilhabe, Selbstwirksamkeit, ernst genommen werden."
Die einzelnen Lebensgeschichten, die diese Sehnsüchte beschreiben, haben völlig unterschiedliche Gesichter. Zangerl erzählt von dem Geflüchteten, der rassistische Bedrohungen erlebt hatte. "Er hatte Angstzustände, seine Familie litt, die Kinder hatten Alpträume, Probleme in der Schule." Sie half, die vielen Symptome zu erklären, kontaktierte die Erziehungsberatung, half beim Zugang zu psychotherapeutischen Hilfen. "Sprachlich, rechtlich und bürokratisch eine überfordernde Aufgabe, die ihm ohne Unterstützung das Gefühl der Ohnmacht gegeben hätte."
Es gibt viele Angebote im Begegnungs- und Beratungszentrum im Ziegelgrund, die der ASB den Boden bereiten. Es wird gemeinsam mit den Menschen gekocht, geschneidert und Jahresfeste begangen. Auch dafür nimmt sich Zangerl Zeit, viele Ehrenamtliche unterstützen sie. "Diese Treffen nehmen Hemmschwellen und schaffen Vertrautheit - sonst würden viele die Sprechstunden gar nicht wahrnehmen wollen." Es gibt auch eine Wirkung in die andere Richtung, sagt sie. "In der Beratung erfahre ich von den Menschen, welche Angebote hier im Haus noch hilfreich wären, um Bedarfe zu decken, von denen ich bisher nicht wusste." Wie etwa die ehrenamtlich gestaltete Gruppe "Apfelbaum" - eine Spielgruppe für Eltern mit Kindern, die keinen Kindergartenplatz bekommen haben.
"ASB beginnt mit Empathie und führt in konkrete Hilfen", beschreibt Zangerl das Grundkonzept des Angebots. Wer erstmals an ihrem Tisch Platz nimmt, oft noch scheu und distanziert, bekommt erst einmal einen Kaffee oder Tee. "Sie brauchen ein gutes Gefühl, um weitere Schritte gehen zu können." Smalltalk, um die Angst zu nehmen, etwas Falsches zu sagen. Und um dann gemeinsam Perspektiven zu erarbeiten. Auf dem folgenden Weg begleitet sie und vermittelt an Fachberatungen sowie andere Hilfen, mit denen sie im engen Kontakt steht. "So lange, bis der Mensch wieder selbstwirksam sein kann und mein kleines Büro verlässt."
Zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut (17. Oktober) fordern Deutscher Caritasverband, SkF Gesamtverein und SKM Bundesverband: "Türen offenhalten: Allgemeine Sozialberatung sichern". Sie wollen den Erhalt, den Ausbau und die Bekanntheit der ASB der Caritas und ihrer Personalfachverbände sichern und fördern.